Florian Cramer on Mon, 14 Feb 2000 11:07:18 +0100 (CET) |
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Re: [rohrpost] DATENBANK DER VIRTUELLEN KUNST |
Am Mon, 14.Feb.2000 um 01:35:35 +0100 schrieb ulrike gabriel: > hier eine mail von Oliver Grau. digitale kunst zu konservieren, wenn es sich > nicht um abziehbilder handelt, scheint mir nicht möglich ohne OpenSource. ...und ganz unmöglich, wen - diese Kunst technisch auf die Kommunikation mit anderen Netzprogrammen bzw. Websites angewiesen ist, wie z.B. die Mongrel-Suchmaschine auf Altavista. - der Domainname eines Netzkunstwerks integraler Bestandteil seines Gesamtkonzepts ist. - wenn ein digitales Kunstwerk, was leider die Regel ist, auf proprietärer Software bzw. undokumentierten Dateiformaten wie Macromedia Director/Shockwave oder QuickTime beruht, von der niemand sagen kann, ob sie in zehn Jahren noch existieren, auf aktuellen Plattformen laufen bzw. ältere Versionen dieser Dateiformate noch fehlerfrei gelesen werden können. > > Die interaktive Medienkunst, die telematische und insbesondere die > > virtuelle Kunst ermöglichen eine vollkommen neuartige Wahrnehmung und Was ist denn "virtuelle" im Unterschied zu "telematischer" Kunst? Oder anders gefragt: Welche Kunst ist _nicht_ virtuell, d.h. sich einer "virtus" verdankend? > > Ästhetik, und finden folglich auf Festivals und internationalen > > Ausstellungen großen Publikumszuspruch. Der Denkansatz ist aus meiner Sicht verkehrt, weil er annimmt, es handele sich bei Netzkunst um herkömmliche Ausstellungsobjekte. > > Dennoch haben die Museen es bislang weitgehend versäumt, diese Kunst > > systematisch zu sammeln. Und was bitteschön macht das ZKM? Und selbst wenn es so wäre, wie oben beschrieben, gibt es keinen einleuchtenden Grund, weshalb der finanziell gebeutelte Wissenschaftsbetrieb mit viel Geld die Versäumnisse des reichen Kunstbetriebs kompensieren sollte. Es kann doch nicht sein, daß museumskonservatorische Projekte mit DFG-Mitteln gefördert werden, die der Wissenschaft fehlen - und vor allem den Studierenden, wenn statt einmal wieder statt Dozenten- reine Forscherstellen finanziert werden. > > Wegen des allgemeinen Informationsdefizits bei > > Museumsmitarbeitern kann bisher die erforderliche kuratorische und > > konservatorische Kompetenz nur unzureichend ausgebildet werden. Dies Vielleicht ist mein Blick schief, aber ich halte diese Behauptung für eine durchsichtige Selbstrechtfertigung. Der Name ZKM fiel bereits, und selbst auf der fragwürdig kuratierten XX. Jahrhundert-Retrospektive der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz in Berlin wurden Netzkunst-Dokumente ausgestellt und im Katalog behandelt. An interessierten Kuratoren fehlt es gewiß nicht. > > Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist die Beschaffenheit der digitalen > > Werke: ihre elektronischen, physischen Träger veralten im rasanten > > Tempo. Ein Widerspruch in sich: Erst ist von "telematischer Kunst" die Rede, die also auf Internet-Servern existiert und um deren Datensicherheit sich Netzadministratoren kümmern. Nun aber sind wieder Ausstellungsobjekte. Sind mit "physischen Trägern" Disketten oder CD-ROMs gemeint? Auch letztere sind ein sehr sicheres Aufbewahrungsmedium (weitaus sicherer als ein Datenbankserver). Oder ist gemeint, daß die Hardware, Betriebssysteme und Entwicklungs- und Abspielsoftware von Netzkunstwerken veralten und konserviert werden müssen? Das ist in der Tat ein Problem, das nur Museen in den Griff kriegen können, die auch Hardware sammeln, das mit einer Datenbank aber beim besten Willen nicht zu lösen ist. > > Eine Schnittstelle dieser Art, ein Forschungs- und Informationsfenster > > zu Museen und wissenschaftlichen Einrichtungen existiert bislang > > nirgendwo. Ziel des Projektes ist es, die sprunghafte Entwicklung auf > > dem Gebiet der Medienkunst, das umfassende und rasch wachsende œuvre der > > Künstler, die in komplexe internationale Forschungszusammenhänge gelangt > > sind, überschaubar zu machen und wissenschaftlich zu dokumentieren. Das No comment. > > Archiv widmet sich einer präzisen Erfassung der Werke in ihren > > Aufbauten, Settings und Ausstellungsorten, insbesondere auch ihren > > technischen Hard- und Software-Konfigurationen. Es wurde daher bereits > > in seinem Gründungsstadium Anlaufpunkt für Museumskuratoren und > > Kongressplaner. Ein weiteres Problem: Es wird hier angenommen, daß digitale Kunst aus statischen Werken besteht. Die Realität ist, daß sich z.B. Netzkunst-Websites permanent wandeln, und damit oft auch ihre technischen Voraussetzungen. Wer das katalogisieren will, kämpft gegen Windmühlen. > > Auf Grund Ihrer Position in der internationalen Medienkunst ist es für > > das Forschungsarchiv von großer Bedeutung, Material zu Ihren Werken zu > > erhalten. Die Datenerfassung mag auf den ersten Blick sehr aufwendig > > erscheinen, wir hoffen jedoch sehr, dass sie sich zügig durchführen > > läßt. Viel Erfolg. > > Unsere technischen Grundlagen: SUN-Server, SQL-Server, Oracle Datenbank, > > Quicktime-Video. u.a. Was kann diese Datenbank für Netzkunst bieten, außer einer mit dokumentarischem Material angereicherten Verdoppelung schon existierender Sites? Darüber hinaus habe ich meine Zweifel, ob interessante Netkunst-Projekte wie z.B. jodi, mongrel, 7-11 oder www.0100101110101101.ORG, die im hohen Maße auch mit ihrer Identität spielen und die technische Gemachtheit ihrer Sites z.T. spielerisch exponieren, z.T. aber auch spielerisch verschleiern, sich auf diese Weise gerne archivieren lassen. Letztlich könnten deshalb nur die Epigonen und Computerinstallations-Dinosaurier aus der ersten ZKM-Periode in die Datenbank einziehen. Oder ist meine Polemik, die ich hier frühmorgens aus Wut auf die spätbarocke DFG-Projektemacherei in die Tastatur haue, einseitig und ungerecht? 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