Krystian Woznicki on 19 Dec 2000 18:20:04 -0000


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[rohrpost] Berliner Gazette, 20.12.


Chaos ist unter uns
oder: >>Inwiefern kreiert der CCC-Kongress [1] eine Art von 
Gegenoeffentlichkeit im Cyberspace?<<

[  ] Antwort: Andy Mueller-Maguhn, Hacker-Diplomat [2,3]

Den Chaos Communication Congress gibt es ja diesmal im 17. Jahr, er war 
immer ein Mittelding zwischen einer europaeischen Hacker-Party und einem 
Treff von technopolitisch interessierten Netzbewohnern und solchen, die es 
werden wollen. Auf der einen Seite ist es also ein Szenetreff der 
Technoanarchisten [4], auf der anderen Seite auch der Versuch, 
professionell Wissen zu vermitteln und Diskussionen ueber die 
techno-soziale Entwicklung zu fuehren, sich dabei Projekte auszudenken, 
diese zu organisieren und dabei reichlich Spass am Geraet zu haben.

Mit kulturlosem Kommerz-Schwachsinn wie der Cebit kann man das zum Glueck 
nicht vergleichen, dazu haben wir viel zu viele nette Menschen unter den 
Teilnehmern, die sich aktiv einbringen; und Produktwerbung hat bei uns auch 
nix verloren.

Chaos? Klar. Anarchie? Die Gedanken sind frei. Aufstand proben? Um Himmels 
willen, was sollen wir denn da proben? Und ueberhaupt gegen wen aufstehen? 
Ich dachte wir befinden uns laengst im Aufstand, aber wohl teilweise doch 
im Sitzen. Aber wahrscheinlich irritiert mich ein bisschen das 68-Paradigma 
der Frage. Computer sind Werkzeuge, Netze Strukturverstaerker. Und das Netz 
ein globaler Kulturraum. Hacken [5] hat ja viel mit Informationsfreiheit 
und einem Anspruch auf selbstbestimmtes Handeln zu tun, oder mit welchen 
Begriffen das auch immer sonst benannt wird.

Wir setzen uns in erster Linie mit technologischen Entwicklungen und ihren 
gesellschaftlichen Auswirkungen auseinander und versuchen dabei die 
Entwicklung mit Transparenz und anderen Mechanismen zu foerdern, die die 
Anzahl der Handlungsoptionen erhoehen. Natuerlich haben wir eigene 
Vorstellungen vom Leben im Kulturraum Internet [6], manchmal sind die sogar 
nicht mit industriellen/kommerziellen Zielen vereinbar, manchmal bestehen 
gute Chancen zur friedlichen Koexistenz. Aber die Hackerszene besteht ja 
auch aus ganz unterschiedlichen Leuten; ich sehe vor allem eine Menge 
learning-by-doing und viele kleine Projekte, Ideen und Entwicklungen. Um 
zukunftsfaehig zu sein, muessen ganz nebenbei lebenswerte Zustaende 
produziert werden.

Der Congress ist allerdings keine Produktionsfabrik, ausser vielleicht fuer 
Gedanken und Bewusstsein. Fuer uns steht dabei in der Tat eher die 
Auseinandersetzung mit Entwicklungen und die gemeinsame Arbyte im 
Vordergrund. Dabei ist der Congress aber eher der gemeinsame Infopool und 
Kommunikationsraum als jetzt tatsaechlich eine Arbeitsflaeche. Es finden 
sich sozusagen eher Menschen und Ideen zusammen, fuer die eigentliche 
Arbeit gibt es ja dann auch noch das ganze Jahr. Deswegen heisst das Dings 
ja auch die >Europaeische Hackerparty< und nicht so sehr die >Denkfabrik 
der Informationsgesellschaft<.

Der Congress ist eher so etwas wie der >reale< Anteil der bestehenden 
Netzwerke. Die Hackerszene [7] ist wohl naturgemaess eine der vernetztesten 
Szenen ueberhaupt, insofern laufen ja das ganze Jahr ueber Diskussionen, 
Projekte [8], Aktionen usf. - auf dem Congress treffen sich die Leute dann 
eben auch nochmal im >wirklichen< Leben, und wir proben ein Stueckweit den 
Ernstfall.

1. http://www.ccc.de/congress/
2. mailto: andy@ccc.de
3. http://www.datenreisen.de
4. http://www.2600.org/
5. http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/buch/4512/1.html
6. http://www.datenreisen.de/Aktuell/Regierungserklaerung.html
7. http://www.hackernews.com/
8. http://www.eff.org/

Fuer die kommenden Tage sind folgende Termine in Deinen Kalender aufzunehmen:

Do - 21.12.

F o o d M e s s e : Zum neunten Mahl treffen sich die Space-Food-Designer 
[mailto:spacemeal@c-base.org] aus allen Teilen der Galaxis um ihre 
lukulischen Genuesse auf der Raumstation >c-base< [http://www.c-base.org] 
unterhalb Berlin-Mitte vorzustellen und dann gegenseitig zu bewerten. Jede 
Speise wird von den Teilnehmern in vier Kategorien geprueft: 1. Geschmack, 
2. Aussehen, 3. Hintergrund und Herkunft, 4. Weltraumtauglichkeit... Be 
future compatible! Ort: c-base e.v. Rungestr. 20, ab 19 Uhr.

Fr - 22.12.

C l u b : Der in Berlin ansaessige Kuenstler Manuel Bonik legt Platten aus 
seiner umfangreichen Tontraegersammlung auf: >Fruehe 60er ueber fruehe 90er 
Jahre< bis die Sterne platzen. Das Parkett fuer die Darbietung seiner 
DJ-Kunst ist dirt, der Club im juengst eroeffneten Projekt- und 
Ausstellungsraum Maschenmode [http://www.maschenmode-berlin.de]. Ort: dirt, 
Torstrasse 230, ab 22 Uhr.

Mi - 27.12.

K o n g r e s s : Der Chaos Communication Congress ist ein dreitaegiger 
Congress ueber Technologie, Gesellschaft und Utopien (siehe dazu oben die 
Ausfuehrungen des CCC-Pressesprechers Andy-Mueller Maguhn). Der jaehrliche 
Fachkongress des Chaos Computer Club e.V. (CCC) [http://www.ccc.de/] findet 
in diesem Jahr zum 17. Mal statt und hat sich seit seiner Entstehung im 
Jahre 1984 als >Europaeische Hackerparty< etabliert. Der Congress wendet 
sich nicht nur an Technikfreaks, sondern auch an diejenigen, die sich mehr 
fuer die Anwendungen und Auswirkungen interessieren. Neben dem 
Konferenzprogramm gibt es weitere Elemente des Congresses wie das Art & 
Beauty-Projekt, das Chaosarchiv, das Hackcenter und die 4. Deutsche 
Meisterschaft im Schlossoeffnen. Ort: Haus Am Koellnischen Park (HAKP) 6-7, 
ab 10 Uhr.

Bis naechste Woche,

Krystian Woznicki
mailto:krystian@snafu.de

PS: Was bringt der Weihnachtsmann dem Internet? Da lacht das Kuecken: 
Multimedia, natuerlich! Intelligenz schenken ist dieses Jahr die Devise: 
Roboterhunde fuer Gross [1] und Klein [2]; vom Computing Starter Pack [3] 
ueber Computermikroskope [4] bis hin zum Luftklavier [5], das durch wenige 
Clicks zur Raumueberwachungsanlage umprogrammiert werden kann. In dieser 
gehetzten Vorweihnachtszeit, kann man sich gut vorstellen, das viele Eltern 
und Grosseltern auf den Service zurueckgreifen Spielsachen aus dem Internet 
direkt nach Hause zu bestellen. Die meisten Firmen haben fest zugesagt 
Bestellungen bis zum 16.12. noch puenktlich zum 24.12. zu liefern. Trotzdem 
faehrt einer der groessten Internet-Spielwarenanbieter [6] gerade voll 
gegen den Weihnachtsbaum [7]. Mit Vollgas versteht sich und ohne doppelten 
Boden [8]. Etoys.com kann in dieser Knuellerfeiertagszeit nicht die 
erhofften Verkaufszahlen vorweisen und malt die nahe Zukunft ziemlich 
schwarz: Ohne weitere Investitionen wird ihnen bis Maerz 2001 das Geld 
ausgehen. Bester Zeitpunkt fuer eine Cyber-Xmas Aktion von der 
Kuenstlergruppe etoy.com [9]. Was fuer eine Bescherung!

1. http://www.aibo.com
2. http://www.etoys.com
3. http://www.fischertechnik.de
4. http://www.intelplay.com
5. http://mindstorms.lego.com
7. http://www.nytimes.com/2000/12/16technology/16TOYS.html
8. http://globalarchive.ft.com/globalarchive/article.html?id=001218002817
9. http://www.etoy.com

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