Andreas Lange on 7 Feb 2001 09:48:05 -0000 |
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[rohrpost] Computerspiele Museum |
Hallo Arnulf Petzold, vielen Dank fuer Deine Unterstuetzung! Dein Brief bringt unser Grundanliegen, Computerspiele als einen der wichtigsten Motoren der Informationsgesellschaft und als ein spannendes neues Medium zu begreifen (das auch dazu auch noch hoechst unterhaltsam ist), auf den Punkt. Der Apell an den Kultursenator geht auch in die richtige Richtung - sind wir doch gerade in neue Gespraeche eingestiegen. Auch ist es richtig, dass wir bisher keinerlei Unterstuetzung von der Stadt (abgesehen von der "Langen Museumsnacht") erhalten haben. Allerdings ist Stölzl dafuer nicht verantwortlich zu machen. Bisher war es wohl eher das nicht allzuweit gefasste Kulturverstaendnis des Vorgaengers, an dem wir uns abgearbeitet haben. Wie ist die augenblickliche Situation? Das Computerspiele Museum existiert weiter. Gerade eben haben wir unsere Ausstellung "Ahnengalerie der Videospiele-Stars" auf der Nuernberger Spielzeugmesse gezeigt. Ueber Arbeit koennen wir uns nicht beklagen. Fuer unsere staendige Ausstellung sind wir seit Dezember auf der Suche nach einem neuen Platz und nach Investoren. Diesbezueglich wird es innerhalb der naechsten Wochen ein Modell geben, das es ermoeglichen wird, Unterstuetzung zu buendeln. Dein offener Brief ist da ein guter Anfang, der uns sehr gefreut hat. Das Museum hat sich in den fast vier Jahren seines Bestehens auch als Mittler zwischen den verschiedenen Szenen etabliert (Freaks - Feuilleton). So ist es auch in der jetzigen Situation wichtig, dass die Unterstuetzung auf einer moeglichst breiten Basis fußt. Wir sind uns sicher, dass die Idee des Museums sich in jedem Fall durchsetzen wird - und wir arbeiten hart daran, dass auch wir unseren Besuchern unsere Sammlung wieder zugaenglich machen koennen, dann in einem schoeneren und groesseren Rahmen. In diesem Sinne :-) Andreas Lange ----- Original Message ----- From: Arnulf Petzolt To: Kultur.Freizeit@berlin.de Sent: Tuesday, February 06, 2001 1:16 PM Subject: Schliessung des Computerspiele Museums - zur Weiterleitung an Dr. Christoph Stölzl Sehr geehrter Herr Stölzl, hiermit möchte ich meinen Protest zur Schliessung des Computer Spiele Museums zum Ausdruck bringen. Ich kann mich noch daran erinnern, wie mein Vater meinem Bruder eine Atari Spielkonsole schenkte, wie wir das Gerät an Heilig Abend vor knapp zwanzig Jahren an den Fernseher anschlossen, das erste Mal Pac Man spielten, wie mich Donkey Kong begeisterte oder später auf dem C64 "Defenders of the Crown". Ihnen werden diese Computerspiele nicht viel sagen - vielen Personen aus meinem Bekanntenkreis und meiner Altersklasse schon. Wir sind die Vertreter, die Deutschland zur Informationsgesellschaft machen. Wir sind die Vertreter jener "Start-Up" Generation, der Generation Golf, die in Deutschland den wichtigen Internet-Boom ausgelöst haben. Und wenn wir zu viel gearbeitet haben, gehen wir zur Entspannung kickern oder klinken uns bei einem Online Spiel ein. Computerspiele sind wichtig, das ist unbestritten. In nahezu jeder Online Studie findet das Computerspiel seinen Platz auf den vorderen Rängen. Oft rangiert es auf Platz drei: nach emailen und der Suche nach Informationen. Doch ebenso wichtig ist es, den Dialog um die Entwicklung der Computerspiele die Geschichte am Leben zu erhalten. Diese Möglichkeiten boten sie über drei Jahre hinweg mit einem der innovativsten Projekte dieser Richtung in Berlin. Ein Museum, eine klassische Einrichtung, mit einem kulturellen Auftrag, das die knapp 30jährige Geschichte und die technische Entwicklung auf eine eigene Art und Weise greifbar aufarbeitet, das nahezu jeden Aufwachsenden begeistern dürfte und auch viele Jugendliche und junge Erwachsene - wie mich - begeistert hat. Das Thema und eine Einrichtung, die Raritäten sammelt, Fortschritt und technische Entwicklung dokumentiert, noch dazu als einziges Museum in Deutschland, sogar weltweit, hat durchaus kulturelle Relevanz. Diese Chance muss Berlin auch weiterhin erhalten bleiben. Denken Sie an den Erfolg vom "Moorhuhn", an Lara Croft aus "Tomb Raider", an Super Mario, an die Verkaufszahlen der Playstation2. Der Erfolg der genannten Titel soll zeigen, dass Computerspiele keine Eintagsfliege, kein "reiner Spass" sind, sondern ein realer Markt, für ein Medium, dessen Bedeutung mit der Etablierung interaktiver Medien und Verbreitungswege in Zukunft noch enorm wächst. Diese Einrichtung, auf die Berlin stolz sein kann, die einen weltweiten Ruf geniesst, jetzt in einen staubigen Keller zu bannen, scheint beinahe als Anachronismus, am falschen Ende gespart. In einer Zeit, in der die Technik sich und die Menschen, die sie bedienen, derart schnell verändern, ist Nachhaltigkeit von großer Bedeutung. Es ist ein öffentlicher Auftrag, diese Entwicklung zu dokumentieren - und auch zu diskutieren. Hier könnte und müsste das Computerspiele Museum auch in Zukunft einen Platz bieten, der sich dieser Entwicklung stellt. Deshalb fordere ich Sie auf, die Entscheidung zur Schliessung des Museums nochmals zu überdenken. Sollten Sie nach reiflicher Überlegung zu dem Schluss kommen, dass die erforderliche Summe für diesen Zweck nicht bereitgestellt werden kann, appelliere ich an Sie, Kontakte zur Wirtschaft oder zu anderen Städten herzustellen, um ein Überleben dieser einzigartigen Einrichtung sicherzustellen. Ich denke, in einer Zeit, in der viele Vertreter der "Old Economy" den digitalen Vertriebsweg entdecken, kann auch das Ansehen einer Stadt von solch einem innovativen Museum nur profitieren, wenn darüberhinaus der öffentliche Dialog um Sinn und Anliegen des digitalen Zeitvertreibs weiterhin mitgefödert wird. Vielen Dank für Ihre Mühe. mit freundlichen grüßen, Arnulf Petzolt ---------------------------------------------------------- # rohrpost -- deutschsprachige Mailingliste fuer Medien- und Netzkultur # Info: majordomo@mikrolisten.de; msg: info rohrpost # kommerzielle Verwertung nur mit Erlaubnis der AutorInnen # Entsubskribieren: majordomo@mikrolisten.de, msg: unsubscribe rohrpost # Kontakt: owner-rohrpost@mikrolisten.de -- http://www.mikro.org/rohrpost