krystian on 11 May 2001 08:24:10 -0000 |
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[rohrpost] TELEPOLIS: Die Angst vor der Maus |
Dieser TELEPOLIS Artikel wurde Ihnen von Krystian Woznicki <krystian@snafu.de> gesandt. ---------------------------------------------------------------------- Die Angst vor der Maus Florian Zeyfang 11.05.2001 Keine Netzkunst bei der Berlinbiennale, aber auch Ablehnung des Kunstmarktes bei den Netzkünstlern Trotz einer Unzahl von Monitoren und Projektoren finden sich auf der 2. Berlinbiennale keine künstlerischen Arbeiten, die als Internetkunst bezeichnet werden könnten. Das ist zunächst kein grundsätzlicher Fehler, schließlich arbeiten auch andere Ausstellungen mit dem Ausschluss bestimmter künstlerischer Disziplinen, wenn sie sich nicht gleich qua Titel nur einem einzigen Medium widmen. Angesichts des zeitgenössischen Appeals der Biennale wollten es jedoch die Organisatoren des Panels "net.media.virtual.digital.art", das am 6.Mai als eine der Rahmenveranstaltungen zur Berlinbiennale stattfand, nicht auf sich beruhen lassen und luden zum Gespräch. Moderator Tilman Baumgärtel, Lesern dieses Magazins kein Unbekannter, sowie als Autor des Buches "net.art" [0] für diese Aufgabe qualifiziert, zitierte vor ungefähr 40 Zuschauern zu Beginn die bb2-Kuratorin Saskia Bos: Die habe sich in diversen Interviews von einem Einbezug der Internetkunst distanziert, da sie sich in ihrer Ausstellung keine Schlangen wünsche, die sich vor hässlichen Bildschirmen bilden könnten. Nun haben einerseits Museen und andere Institutionen auch schon wesentlich weniger Berührungsangst gezeigt, wenn es um die Interaktion mit der Maus ging. Andererseits kommen, Bos´ Vorbehalte quasi stützend, auch aus dem Lager der sogenannten Netzkunst immer wieder Einwände gegen musealisierte oder galerisierte Präsentationen: Netzkunst könne per Definition nicht ausserhalb des Netzes stattfinden; müsse es auch gar nicht, da das Netz eine komplette Umwelt darstelle, auf die sich eben jene Kunst beziehe. Zu diesen grundsätzlichen Fragen sollten die fünf Eingeladenen Stellung nehmen. Die meisten taten dies durch Präsentationen ihrer Arbeit, die in unterschiedlicher Weise mit Kunstproduktion in und um das Internet und digitalen Medien zu tun hat. Der letztgenannte Einwand, net.art habe im Realraum nichts zu suchen, wurde dabei von der Theoretikerin Josephine Bosma unterstützt. Bosma legt großen Wert auf eine Autonomie von der Kunstwelt, ihren Märkten und ihrer sozialen Dynamik; sie vermisst eher ein Forum innerhalb des Netzes und hat zum Austausch unter den Beteiligten einen neuen Newsletter namens "Cream" <mailto:cream@laudanum.net> ins Leben gerufen [1]: Hier wird Netzkunstkritik veröffentlicht. Es sollen allerdings dort zunächst nur ausgewiesene KritikerInnen schreiben, um die in kleinen sozialen Gemeinden ubiquitären inzestuösen Gefahren zu vermeiden. Zu oft, meint Bosma, sind die Kritiker die Kollegen der Künstler/innen. Man könnte dies als nächsten Schritt nach der "New-Frontier"- Zeit des Internet interpretieren - nach dem gleichmacherischen Vorwärtsstreben kommt die Ausdifferenzierung - jedoch als Grundsatz ist es eigentlich nicht zeitgemäß. Dennoch eine richtungweisende Initiative hinsichtlich einer exakteren Analyse des kulturellen Begehrens im Netz. Diesem Begehren möchte Annette Schindler als Gründungsdirektorin des neuen Basler Instituts [plug in] [2] einen Raum geben. [plug in] versteht sich dazu als Pilotprojekt und Vermittlerin zwischen den Welten, möchte "verschiedene Gefäße" anbieten: Im Internet genauso wie im Basler St.Alban-Rheinweg 64; als Produzentin von Produktionen genauso wie als Bar; in Form einer Software oder als jährlich neu zu gestaltender Raum. [plug in] richtet sich dabei ganz offen an BesucherInnen, die die ersten Kontakte mit der digitalen Welt bereits hinter sich haben: Das breite Publikum ist zwar durchaus willkommen, man möchte aber auf einen didaktischen Auftrag verzichten und kann auch keine Medienweiterbildung anbieten. Schluss mit Access For All? Keineswegs, sondern hier soll an der Medienkunst weitergearbeitet anstatt reproduziert werden, und dabei wird in Kauf genommen, was in der sogenannten Realwelt gang und gäbe ist: dass Kunst zunächst ein Spezialdiskurs ist. Projekte wie [plug in], die im Experiment eine Entwicklung neuer Raum-Ideen versuchen, sind dabei im positivsten Sinne die Wegbereiter zu allgemeinerer Verständlichkeit. Alle Beteiligten unterstützen dabei den grundsätzlich freien Zugang zu Internet und Kunst. Mieke Gerritzen hat dem in ihrem Video "The Free Movie" noch einmal besonders Ausdruck gegeben. Gerritzen arbeitet unverkennbar mit Textdesign; diese Arbeit spiegelt sich wieder in ihrer Eigenschaft als Organisatorin der Veranstaltung "International Browser Day" (und deutlich in deren Homepage [3]), die 2001 zum 5. Mal im Dezember in der Berliner Volksbühne stattfindet. Browser sind ebenfalls Vermittler zwischen Nutzer und Netz, und ihre Entwicklung sollte man nicht den Konzernen überlassen, findet Gerritzen. Ähnlich eigen-initiativ zeigte sich die Arbeit von Tomoko Takahashi "Word Perhect" [4], die von Sue Jones, Co-Direktorin der Plattform "e-2", präsentiert wurde. Holger Friese, dem anwesenden Netzkünstler, blieb es überlassen, sich zur Vermarktung der Kunst Gedanken zu machen: Dass KünstlerInnen in der neuen Welt nicht ohne etwas dastehen wollen, darin ist sich Friese mit einem Vorgänger, dem Konzeptkünstler Seth Siegelaub, einig. Auf dessen berühmtem Modellvertrag,"the artist's reserved rights transfer and sale agreement", der unter anderem 1972 auf der documenta gezeigt wurde, basiert Frieses und Max Kossatz´ Abmachung [5] mit einem Stuttgarter Sammler: Dem wird zwar die URL eines Werkes der beiden für einen nicht genannten Betrag übertragen, dennoch bleibt das Netz-Werk weiterhin frei verfügbar. Friese/Kossatz möchten gerne mit ihrem Vertragswerk genauso Geschichte schreiben wie Siegelaub, und haben seinen Vertrag deswegen gleich unten angehängt [6]. Dessen Berühmtheit konnotiert jedoch etwas Sysiphoshaftes, denn immer noch werden die meisten Abmachungen zwischen Künstlern und Galeristen per Handschlag gemacht. Und Siegelaubs Vorschlag, die KünstlerInnen an der Wertsteigerung ihres Produkts teilhaben zu lassen, wird wohl auch nach der Umsetzung in deutsches Recht letztes Jahr Makulatur bleiben. Aber es gibt ja noch andere Arten, Netzkunst zu vermarkten. Die Reihe FORMATE DER LÜGE, das Rahmenprogramm zur 2. berlin biennale, wird fortgesetzt: 29.4. Real-Fiktionen / Real Fictions 6.5. net.media.virtual.digital.art 13.5. Post-National 20.5. Reycling des Konzeptuellen / Recycling the Conceptual 27.5. Digital Vérité 3.6. Corporate Art 10.6. Keep your country tidy 17.6. Curatorial Business jeweils Sonntags 14.00-16.00 Uhr, Kunst-Werke Berlin , Auguststr. 69 oder Kino Central, Rosenthaler Str. 39 (2. Hinterhof) Links [0] http://www.thing.de/tilman/farocki.htm [1] http://www.nettime.org/nettime.w3archive/200104/msg00027.html [2] http://welcome.weallplugin.org [3] http://www.internationalbrowserday.com [4] http://www.e-2.org/word_perhect.html [5] http://www.fuenfnullzwei.de/vertrag.html [6] http://www.fuenfnullzwei.de/siegelaub.html Artikel-URL: http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/sa/7603/1.html ---------------------------------------------------------------------- Copyright © 1996-2001 All Rights Reserved. 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