newsletter on 9 Jun 2001 00:00:02 -0000


[Date Prev] [Date Next] [Thread Prev] [Thread Next] [Date Index] [Thread Index]

Re: [rohrpost] demonstration for freedom of expression in hamburg


hi brsma, 

>> das sehen wir halt anders und wollen hauptsächlich bewirken, dass sich die
>> leute darüber mal gedanken machen. wenn das BVerfGer entscheidet, dass die
>> loveparade aufgrund ihres spassfaktors für die teilnehmenden und der
>> tatsachedass keine politischen parolen auf den bannern stehen, nicht mehr
>> unter den schutz des versamlungsgesetzes fällt,
> 
> entschuldigung, aber die lp IST KEINE politische demonstration sondern eine
> kommerzielle veranstaltung! insofern finde ich letzteres ehrlich gesagt auch
> vollkommen in ordnung, und die loveparade-macher haben sich das selbst
> zuzuschreiben. und: z.b. der kölner karneval ist auch nicht als politische
> demonstration anerkannt und findet als massenveranstaltung mit städtischer
> unterstützung trotzdem statt, inkl. 'freiem', unumzäuntem arsch- und
> tittenwackeln. es trifft ja auch nicht die lp als veranstaltung _an sich_,
> sondern schmälert die gewinne der veranstalter.
> 
was die loveparade angeht, bin ich der meinung, dass ihr in ihrem
ursprungsgeist ein versammlungs- und demonstrationscharakter innewohnt, auch
wenn der vieleicht mehr auf exhibitionismus als auf politischer
willensbildung beruht. aber die arten des öffentlichen ausdrucks verändern
sich nun mal. als die leute zum ersten mal mit politischen parolen und
spruchbändern auf die strasse gegangen sind war das verboten, höchst
gefährlich und skandalös. unsere gesetze lassen hier absichtlich einen
grossen spielraum, die frage ist also, wieviel veränderung die gesellschaft
zulassen will.

parallel dazu hat sich natürlich ein kommerzieller betrieb entwickelt, der
vielleicht mit der zeit die oberhand gewonnen hat. insofern haben sich die
macher das sicher selbst zuzuschreiben. aber worum es uns _nicht_ geht, ist
das schicksal oder das konto der planetcom, sondern die zukunft einer
zeitgemässen form des öffentlichen ausdrucks. wir sprechen mit unserer
aktion bewusst auch nicht nur "techno"-freaks und loveparader an, sondern
alle, die, um es mal etwas gestelzt auszudrücken, "kultur im öffentlichen
raum" betreiben, und haben in dieser hinsicht auch schon viel feedback
bekommen.

dass wir dr. motte eingeladen haben entspringt nicht unsrer bedingungslosen
bewunderung der loveparade, sondern der tatsache, dass er als begründer der
idee nicht fehlen darf, wenn es um die gestaltung der zukunft geht, und
deswegen sind wir auch ganz besonders erfreut darüber, dass er unsere
einladung angenommen hat.

wir meinen, dass in zukunft der versammlungs und der festival-teil der
loveparade deutlicher voneinander getrennt werden sollten, um genau diese
öffentliche komponente zu erhalten. aber das ist letztenendes deren sache
und der zug ist eh schon am rollen.

>> dann wird diese meinung als grundsatzurteil auf alle ähnlichen
>> manifestationen angewendet, egal ob sie sich in grösse, aussage,
>> kommerzfaktor oder was von der lp unterscheiden.
> 
> das ist zwar im ansatz richtig, aber dennoch ein vollkommen anderer punkt. ich
> finde es eine ziemlich perfide strategie, das ungewisse dunkle schicksal
> 'ähnlicher', aber nicht-kommerziell ausgerichteter manifestationen als
> legitimation für die lp zu benutzen. das ist ein mieser rhetorischer trick.
> 
das mit dem trick verstehe ich nicht, hört sich so an als würden wir
jemanden austricksen, wenn wir das sagen, was wir sagen. aber wen tricksen
wir aus und warum sollen wir was tricksen? tricks sind meisstens zu
irgendjemandes nachteil, also was willst du sagen? perfide strategie? wir
wollen gegen die einschränkung der demonstrationsfreiheit durch den massstab
loveparade demonstrieren und du nennst das eine perfide strategie? ich
müsste die feindbilder, auf die du abfährst, besser kennen, um dir folgen zu
können.
 
>> wie bereits gegen die fuckparade beschlossen wurde:
> 
> und warum verdammt noch mal kämpft ihr dann nicht für die anerkennnung der
> fuckparade und der anderen nicht-kommerziellen demos als politische
> demonstration?!? diese wird/werden nämlich auch in den kommenden jahren wohl
> kaum von wirtschaftssenator branoner (oder wer auch immer dann in diesem amt
> sitzt) mitveranstaltet werden und sind in dieser hinsicht wohl ein wenig
> schutzbedürftiger als der jasagende corporate fuck namens loveparade.

you've got the point. wir demonstrieren nicht für die love-, fuck- oder
sonst eine parade, sondern dafür, dass man solche paraden und gatherings
(das heisst wortwörtlich versammlung) auch in zukunft noch als demonstration
durchführen kann, wenn man denn meint, ein anliegen zu haben, das ein
solches vorgehen rechtfertigt. insofern kämpfen wir _natürlich_ für die fuck
parade. 

ob der demo-anspruch auf die loveparade (noch) zutrifft, werden demnächst so
oder so die gerichte entscheiden. worum es uns geht ist, darauf aufmerksam
zu machen und vorzubeugen, das nicht durch ein grundsatzurteil, das an der
loveparade bemessen wurde, veranstaltungen wie die fuckparade, die
hanfparade oder auch wie der sundance hier in hamburg, gleich kategorisch
mitreglementiert werden.

btw sind zumindest die berliner behörden ihrer zeit weit voraus, da die
fuckparade zuerst als demo nicht mehr anerkannt wurde, also bevor
irgendjemand die loveparade beurteilt hat. dies jedoch mit formulierungen,
die eindeutig auf die loveparade zugeschnitten waren. um dem die krone
aufzusetzen, schreibt die behörde in ihrer begründung (an die fp), dass sie
diese kriterien auch auf die loveparade anwenden würde. braucht hier
irgendjemand einen nachhilfekurs in logik?

wo ist die grenze, ist doch die frage, die sich aufdrängt. was auf dem flyer
steht - egal, ob transparente und wenn ja, welchen inhalts zu sehen sind -
egal, ob es ein motto gibt und was es sagt - egal: wenn "technomusik" (was
ist das?) gespielt wird, getanzt und sich dabei amüsiert wird, dann ist es
keine versammlung und keine demonstration, so die berliner behörde. alle
fragen, die diese entscheidung aufwirft, die ganzen definitionen und
interpretationsspielräume, die darin beinhaltet sind, werden in den nächsten
monaten von deutschen juristen in blei gegossen, und wir sind der meinung,
dass wir dabei ein wörtchen mitzureden haben.

manzana


----------------------------------------------------------
# rohrpost -- deutschsprachige Mailingliste fuer Medien- und Netzkultur
# Info: majordomo@mikrolisten.de; msg: info rohrpost
# kommerzielle Verwertung nur mit Erlaubnis der AutorInnen
# Entsubskribieren: majordomo@mikrolisten.de, msg: unsubscribe rohrpost
# Kontakt: owner-rohrpost@mikrolisten.de -- http://www.mikro.org/rohrpost