Mathias Fechter on Mon, 4 Mar 2002 22:27:04 +0100 (CET)


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[rohrpost] Virtuelle Konferenz & Kostenbeteiligung


Warum die virtuelle Konferenz
”Globalisierung und Internet”
in einer scheinbar geschlossene Benutzergruppe stattfindet

Einladung zur öffentlichen Debatte unter
http://www.edupolis.de/konferenz2002

In den letzten Tagen häuft sich die Kritik an der Tatsache, dass für die
Teilnahme eine Kostenbeteiligungsgebühr erhoben wird. Behauptet wird,
dass die virtuelle Konferenz in einer geschlossenen Benutzergruppe
stattfände, und dies laufe der (kosten-) freien Diskussionskultur des
Netzes zuwider. Uns wird weiter unterstellt, wir würden in edupolis ein
'Businessmodell' sehen.

Das ist nicht richtig. edupolis versteht sich als  Plattform virtueller
Konferenzen und Informationsbörse zu Fragen an der Nahtstelle zwischen
Internet und politischer Bildung. edupolis entstand aus einer
Kooperation der Gruppen, die diese Plattform auch heute noch tragen.
Zweck der Kooperation war und ist es, methodische und mediale Probleme
politischer Bildung, die sich auf besagte Nahtstelle beziehen, zu
bearbeiten. So experimentieren wir z.B. mit virtuellen Konferenzen, um
zu sehen, was diese Kommunikationsform für politische Bildung taugt.
edupolis und die virtuellen Konferenzformen, die darauf seit 2000
angeboten werden, haben also vor allem in der politischen Bildung Tätige
zur Zielgruppe. Mit ihnen wollen wir die Kommunikation und Kooperation
in den genannten Fragen entwickeln und pflegen und Fortbildung für
politische WeiterbildnerInnen anbieten. Ziel ist es, unseren Teil dazu
beizutragen, die politische Bildung in die Lage zu versetzen, ihren
Beitrag zur Bildung von politischen Beteiligungskompetenzen an den
Netzdiskursen, Bereitstellung von Content sowie an einer demokratischen
Gestaltung des Netzes zu leisten.

Da niemand von uns Informatiker/-in o.ä. ist, mussten wir uns die
Technik bauen lassen. Trotz allem Entgegenkommen derer, die uns dabei
helfen, gilt: auch das schäbigste Honorar muss finanziert werden,
selbstverständlich auch die für ExpertInnen- und
ModeratorInnentätigkeiten usw.. Kurz: Wir versuchen immer wieder
Drittmittel ein zu werben. Dabei waren nicht sehr erfolgreich. Virtuelle
Konferenzen werden von der Bundeszentrale und von den Landeszentralen
für politsche Bildung bis heute grundsätzlich nicht bezuschusst. Dennoch
ist es immer wieder gelungen, Kooperationspartner zu finden, die Geld
mitgebracht haben: In 2001 die Landeszentrale für politische Bildung NRW
und die Hans-Böckler-Stiftung, in 2002 wieder die Hans-Böckler-Stiftung
und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
fördert aus dem Programm "Media @ Generation" das Jugendforum. Trotz
dieser Förderung bleibt eine Finanzierungslücke. Diese wird zum
geringstem Teil durch die kritisierten Kostenbeteiligungen geschlossen,
sondern den Hauptanteil an den Kosten trugen über die Jahre hinweg die
HGDÖ und das DGB Bildungszentrum Hattingen.

Wer sagt, edupolis sei ein ‘Businessmodell’, der setzt einen
‘Zuschussbetrieb’ mit einem solchen gleich. Wir aber hatten immer ein
anderes Problem, wir mussten einerseits die Offenheit gewährleisten und
andererseits das Vorhaben finanzieren, denn wir wollten trotz der
Zielgruppenorientierung von edupolis stets vermeiden, dass wir zur
Fragementierung und Enklavenbildung im Netz beitragen, was uns jetzt
(tendenziell) unterstellt wird. Wir ziehen lediglich die persönlich zur
Finanzierung heran, die sich das entweder von ihren Arbeitgebern
erstatten lassen oder es sich privat leisten und damit in der Regel auch
steuerlich absetzen können. Für diese Gruppe sind 35 € wahrlich kein
Beteiligungshindernis. Die Beteiligung aller anderen (z.B. von
Studierenden, Arbeitslosen, RenterInnen und SozialhilfempfängerInnen)
ist kostenfrei, und das ist der deutlich größte Teil der
TeilnehmerInnen. Dennoch kommt aus dem Kreis derer, die kostenfrei
teilnehmen, die Hauptkritik. Aus diesem Kreis heraus wurde auch der
Zugang zur virtuellen Konferenz veröffentlicht. Dieser ist inzwischen
wieder dicht.

Wir sehen nicht, dass unser Projekt der offenen und (kosten-) freien
Diskussionskultur des Netzes zuwider läuft:

• Wir providen über unsere Mailinglist und über unsere Plattform
kostenlos jede Menge Content,

• sowohl die Mailinglist als auch die Plattform stehen allen zur
Verfügung, die Content verbreiten wollen. Auf der Präsenzkonferenz in
Hattingen werden Vorschläge unterbreiten, wie dieser Bereich ausgebaut
werden könnte,

• die Konferenz, die in der Kritik steht, ist vielleicht technisch eine
geschlossene Benutzergruppe. Was aber die tatsächlichen
Beteiligungsmöglichkeiten angeht, ist sie das nicht wirklich. Sie grenzt
niemanden sozial oder ökonomisch aus, sondern beteiligt die, die dazu in
der Lage sind, und die sich durch Teilnahme beruflich fortbilden, an der
Finanzierung,

• diese Konferenzen wurde bisher immer auf  www.edupolis.de offen
dokumentiert und

• wir haben unser Angebot an virtuellen Konferenzen Jahr für Jahr um
offene und kostenlose Foren erweitert (in 2002 ein Expertenforum, eine
virtuelle Galerie sowie das Jugendforum). Das ist ebenfalls auf edupolis
nachvollziehbar dokumentiert.

 Wir wollen aber auch nicht mit unserer Auffassung hinter dem Berg
halten. Wir sehen die Dinge nämlich so: Wer selbst die geringste
Kostenbeteiligung an der Finanzierung von Diskurs- und
Informationsangeboten im Netz prinzipiell ablehnt, ohne zu schauen, was
dabei sonst noch für die Netzgemeinde geleistet wird, der macht das Netz
heute, wo es zu einer Art Massenmedium geworden ist, faktisch zu einem
Exklusivmedium derer, die über die entsprechenden technischen, sozialen
und/oder ökonomischen Voraussetzungen verfügen, solche oder ähnlich
Projekte nur auf der Basis von Eigenarbeit hochzuziehen oder sie aus der
eigenen Tasche zu finanzieren, oder er liefert es Sponsoren aus. Eine
solche Haltung wäre entweder elitär und zwar auch dann, wenn sie von den
vermeintlichen KritikerInnen des Elitären vorgetragen werden oder sie
fördert die Komerziliasierung. Heute sollte der Blick darauf fokussiert
werden, wer dem Netz mehr (kostenlos) gibt, als er ihm nimmt. Wir sind
so unbescheiden zu behaupten, dass wir, wenn die Messlatte so angelegt
wird, nicht schlecht abschneiden. Der Beitrag von manch einem aus der
Fraktion derer mit den hehren, unveränderlichen und vordergründigen
Prinzipien zu einer demokratischen Entwicklung des Internet, wird sich
dann als recht bescheiden erweisen, von den offenkundigen Defiziten
wollen wir hier gar nicht sprechen.

Wir können diese Konferenz weder völlig öffnen noch das Lurken
ermöglichen. Das wäre jetzt ein Affront gegen jene, die bezahlt haben.
Wir werden diese Konferenz aber wie immer nach einer Befragung der
TeilnehmerInnen offen stellen und dokumentieren. Das können wir bereits
jetzt zusagen. Darüber hinaus stelle wir zur Diskussion dieses
Statements das Forum zur Verfügung. Besonders freuen würden uns über
kreative Beiträge zur Lösung des Widerspruchs zu finanzierende Koste
einerseits - kostenlose Teilnahme andererseits.


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