Lutz Bonneberg on Tue, 19 Mar 2002 22:47:03 +0100 (CET)


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[rohrpost] Re: Internet als Medium/diskussion


carsten wrote:
 
> Peer Goebel schrieb:
> 
>> Ich fände es also sinnvoll, zwischen Medium und Kanal zu unterscheiden
>> (wie z.B. John Fiske es tut) der Computer ist das Medium, das Internet
>> ist der Übertragungskanal (wie beim Telefon: Telefon ist das Medium, die
>> Kabel/Schaltstellen/Vermittlungsnetz (wie komplex auch immer) der
>> Kanal).
> 
> technisch (als apparate), vor allem aus der sicht des künstlichen betrachtet
> finde ich das sinnvoll - zumal ein komplexer medienbegriff jede 'alltags-
> kommunikation' zunichte machen würde;

hier möchte ich friedrich kittlers aspekt der hardware in erinnerung rufen.
die frühen entwicklungen des computers waren definitiv nicht auf der
perspektive des mediums angelegt. z.b. war allen turings ENIAC ja für
ballistische berechnungen entwickelt wurden (siehe peer). wenn dem computer
fast jede beliebige funktion zugewiesen werden kann, dann halt auch die des
mediums (meine schätzung: arpa-net entwicklung). bei der definition des
kanals tue ich mir doch schwer: zu den physikalischen grundlagen (kabelnetz,
...) kommt ja hier noch die softwareebene (auch wenn kittler sagt, dass es
letzlich keine software gibt). evtl. muss diese in die kanalbezeichnung ja
doch mit einbezogen werden?!

> doch wo fangen kanal und medium an und wo hören sie auf wenn man
> den bereich des künstlichen verlässt (und das geht recht schnell, wir sind ja
> nicht (vollständig) drin, im internet)? an der netzhaut des auges,
> dem trommelfell... was ist dazwischen? welche medialen transformationen
> wirken da? luft, licht, elementarteilchen, erdstrahlen, astrologische
> konstellationen? das medium ist doch der kanal oder zumindest die eigen-
> schaftlichkeit und formbarkeit des kanals, oder nicht?

da gehe ich doch ein wenig mit mcluhan :) auch wenn die sprache als
primärmedium bezeichnet wird, denke ich dennoch, dass sie auf einer
biologisch gegebenen grundlage basiert, welche durchaus als "technologie"
(sprich: stimmbänder, zungenmotorik o.ä.) bezeichnet werden könnte. auch mit
der einschränkung, dass sie nicht vom menschen als solche konstruiert wurde.

>> Was wäre denn gewonnen, wenn der Computer kein "Medium" wäre?

> (...) sehr viel, weil wir uns dann vielleicht mehr überlegen, in welcher form
uns eine datenmenge erreicht und wie wir mit dieser form umgehen (lernen);

dann würde einfach eine menge kurzfristiger und frei vernetzter information
so nicht existieren. irgendwie muss ich da immer an deleuze'sche rhizome
denken ;) dennoch, da die struktur dieser kommunikation jetzt einmal
praktisch umgesetzt wurde, denke ich, dass diese auf die eine oder andere
weise wieder umgesetzt werden würde. allerdings fällt mir kein medium ein
(und die damit verbundene technik), die dies leisten könnte. des weiteren
würde es uns aber auch eine menge rauschen ersparen (wie vielleicht meinen
beitrag). wenn neal postman meint, dass das buch die dem menschen
angestammte datenmenge pro wahrnehmungseinheit repräsentiert, werden wir ja
sehen, als wie "gesund" sich die medienrezeption via computer auf lange
sicht herausstellen wird ...
 
>> Dass Computer nicht nur als Kommunikationsmedium genutzt werden,
>> widerspricht auch nicht der Bezeichnung - ich kenne genug Leute, die
>> Zeitung weniger zum Lesen als zum Beheizen ihres Ofens benutzen

dennoch sehe ich da doch einen unterschied zum computer. das buch ist in
seinem "primärnutzen" eindeutig. natürlich kann jeder das
kommunikationsmedium für seine zwecke optimiert nutzen, der computer ist
aber in seiner struktur von grund auf relativ frei (s.o.). kein anderes
medium ist im engeren sinne so "programmierbar".

> dazu vielleicht eher ein konstruktivistischer, sich auf das Material
> beziehender
> medienbegriff von S. J. Schmidt: Medien sind darin „alle Materialitäten, die
> systematisch zu einer geregelten und gesellschaftlich relevanten semiotischen
> (bzw. symbolischen) Kopplung von lebenden Systemen genutzt werden (können)“.
> 
>> Im Grunde geht es bei diesen Definitionsfragen doch darum, die
>> Besonderheiten des Internetfähigen Computers herauszustellen, und das
>> geht meiner Meinung nach auch mit dem Begriff "Medium".

mein ergebnis: der computer in kombination mit der entsprechenden
funktion/programmierung (internet) und der physikalischen unterstützung
(kanäle) ist ein medium. (wow!) der computer als solcher in seiner struktur:
nein. er wird halt erst zum medium gemacht.

gruss

lutz
-- 
Linux is like a wigwam: no windows, no gates,
apache inside.


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