Claus Pias on Tue, 17 Jun 2003 10:15:54 +0200 (CEST)


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[rohrpost] Freund, Feind und Verrat



Freund, Feind und Verrat.

Zur politischen Semantik der Medien- und Kommunikationstheorie
im 20. und 21. Jahrhundert


Veranstalter: 
Kulturwissenschaftliches Forschungskolleg "Medien und kulturelle
Kommunikation" SFB/FK 427, Köln

03.07.2003-05.07.2003, Universität zu Köln, Hauptgebäude, Hörsaal XVIII;
Abendveranstaltung am 3.7.03: Filmclub 813 e.V. Kino in der Brücke,
Hahnenstr. 6, 50667 Köln


Die Medien- und Kommunikationstheorien des 20. Jahrhunderts entstanden trotz
Beteuerung technischer oder anthropologischer Neutralität stets im
Spannungsfeld zwischen sozialen Modellen und politischen Anwendungen. Damit
sind es Theorien dessen, was eine Gesellschaft im Innersten oder durch
äußeren Zwang zusammenhält, also auch Theorien einer Totalität oder
Homöostase des Gesamtsystems. Und immer wieder ging es um die Möglichkeit,
Freund von Feind zu unterscheiden, sei es durch die semantische Kopplung von
Propaganda-Analyse und Gegenpropaganda, sei es durch den zeitlichen
Vorsprung der Geheimkommunikation vor ihrer feindlichen Dechiffrierung. Erst
aus der Kombination beider Modelle ist die Universalisierung des
Kommunikationsbegriffs gegen Ende des Zweiten Weltkriegs entstanden.

Die politische Semantik dieser Theorien hat ihren Niederschlag im gesamten
terminologischen Erbe des 20. Jahrhunderts gefunden. Schaut man genauer,
fällt auf, dass die theoretischen Entwürfe der Solidarität sowie der
Feindschaft von dem Dritten der Unterscheidung von Freund und Feind immer
wieder heimgesucht werden: dem Beobachter, dem Verrat, der unerwünschten
Dechiffrierung, der entstörten oder irreparablen Störung, dem Double Bind,
dem Wechsel zwischen Krieg und Frieden, dem Parasiten und dem »parasitic
use«. In gewissen terminologischen Prägungen gelangt dieses Dritte sogar zu
einer Apotheose. Dies zeigt sich auch an den Protagonisten der
Kommunikations- und Medientheorien: Die Figuren des Seitenwechsels sind in
der Überzahl. Es waren wissenschaftliche oder politische Dissidenten,
Überläufer und Emigranten, etwa in den deutsch-amerikanischen Spiegelungen
der Kommunikationstheorie im 20. Jahrhundert zwischen Propagandaforschung
und Systemtheorie, empirischer Sozialforschung und Frankfurter Schule. Es
waren die “Displaced Person³ und der “Friendly Enemy Alien³, also Personen,
die jedes Nullsummenspiel unterliefen.

Margret Boveri hat zu Beginn des Kalten Krieges den Vorschlag gemacht, das
wichtigste ideologische Moment des 20. Jahrhunderts auch für demokratische
Gesellschaften oder avantgardistische Bewegungen in der Figur des ðVerratsÐ
zu fassen. Dies greift die Tagung auf, indem sie nach den persönlichen und
kollektiven Attributionen von Freund und Feind, die einen Seitenwechsel oder
ein falsches ðFraternisierenÐ zum Verrat werden lassen, fragt. Erweisen sich
doch die Medien- und Kommunikationstheorien des 20. Jahrhunderts im
Rückblick von der Figur des Verrats derart geprägt, dass die Frage zu
stellen ist, wie das 21. Jahrhundert auf diesen Hintergrund der
Medientheorie reagiert. Behält die Unterscheidung von Freund, Feind & Verrat
ihre Wirkung auf aktuelle Entwürfe der Medientheorie ­ etwa in den
abermaligen Vorwürfen, die Massenmedien (wie vormals die Demokratie)
unterliefen jede Unterscheidung freundlicher und feindlicher Nachrichten,
oder sie dienten vor allem (wie vormals die Propaganda) zu undurchschaubar
verdeckten Operationen und Adressierungen? Oder zerfällt das terminologische
Erbe des 20. Jahrhunderts in der Medientheorie zunehmend in seine
Einzelteile ­ denen damit auch der zweischneidige politische Impetus der
Charakterisierung einer ðGesamtgesellschaftÐ oder einer ðtotalen sozialen
SituationÐ fehlen würde?


DAS ZWANZIGSTE JAHRHUNDERT

Donnerstag, 3. Juli 2003
(Ort: Filmclub 813 e.V.)
Abendveranstaltung 

19.00 
Einleitung: Wolfgang Beilenhoff/Erhard Schüttpelz
"Hitlerjunge Quex with Gregory Bateson' s analytic titles"

21.30 
"Hitlerjunge Quex", Deutschland 1933, Regie: Hans Steinhoff

Freitag, 4. Juli 2003

9.00 
Einleitung: Torsten Hahn/Erhard Schüttpelz

9.30 
Cornelia Epping-Jäger:
Propaganda 

10.30 
Kaffeepause 

11.00 
Albert Kümmel: 
War of the Worlds Revisited

12.00 
Axel Roch: 
Sehende Oberflächen. Der Blick im Zwischen von Freund und Feind

13.00 
Mittagspause 

14.30 
Eva Horn: 
War Games. Das Wissen vom Feind im Kalten Krieg

15.30 
Claus Pias: 
Der Vietkong. Rechnen als Gestalt

16.30 
Kaffeepause 

17.00 
Thomas Schestag: 
"[...] und eigentlich noch viel jünger." Kafkas Jargon

DAS EINUNDZWANZIGSTE JAHRHUNDERT

20.00 
Abendvortrag: Thomas Hauschild: Sleepers

Samstag, 5. Juli 2003

9.30 
Einleitung: Cornelia Epping-Jäger/Erhard Schüttpelz

10.00 
Urs Stäheli: 
Der Verrat des Kapitalismus

11.00 
Ralf Klamma: 
Vertrauensmodellierung

12.00 
Kaffeepause 

12.30 
Matthias Krings: 
Osama bin Laden vs. George W. Bush in Nigeria. Zur lokalen Perzeption
globaler Ereignisse



Kontakt: 
Gabriele Schabacher
SFB/FK 427 "Medien und kulturelle Kommunikation"
Bernhard-Feilchenfeld-Str. 121
50969 Köln 
Tel. 0221/470-6770 
Fax: 0221/470-6773 
E-Mail: fk-427@uni-koeln.de

URL: 
http://www.uni-koeln.de/inter-fak/fk-427



 

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Claus Pias
Ruhr-Universität Bochum
Institut für Medienwissenschaft
Universitätsstr. 150 / Gebäude GB 3/34
44780 Bochum

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