Florian Cramer on Mon, 21 Jul 2003 13:59:48 +0200 (CEST) |
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Re: [rohrpost] OT: Kanon der 35 Filme |
Am Montag, 21. Juli 2003 um 11:43:50 Uhr (+0200) schrieb Jan Ulrich Hasecke: > Im Grunde bin ich dagegen, dass der Jugend durch die Schule nun auch > noch der Spaß am Kino genommen werden soll. Es ist natürlich der Haken jeglicher Kanonisierung, daß auch Exploitation-, Zombie-, Porno- und Zyniker-Actionkino keinen Spaß mehr macht, wenn es von bräsigen Studienräten pädagogisch wertvoll verabreicht wird. Aber dann reden wir von den Problemen des Schulsystems, nicht des Kanons als solchen. > Doch eine Sehschule ist sicher dringend notwendig. Wir verlernen > nämlich momentan das Sehen von Filmen, immerhin eine der größten > Kulturleistungen des 20. Jahrhunderts. Diese Diagnose habe ich auch von einem bekannten Filmkritiker gehört, der von einer Universität einen Lehrauftrag erhalten hatte und schockiert war, daß selbst gebildete Studenten kein historisches Filmwissen besitzen und nur kennen, was sie in den letzten fünf Jahren im Kino gesehen haben. Der Niedergang des Kinoverleihs und der Programm- bzw. Offkinos seit den 1990er Jahren (die heute ja auch nur noch sog. "Arthouse"-Mainstreamware spielen) und die Nivellierung der ersten bis dritten öffentlich-rechtlichen Fernsehrogramme zu Musikantenstadl-, Talkshow- und Regional-Sendern ist vermutlich schuld. Hinzu kommt, und damit sind wir wieder on-topic in der rohrpost, daß der 35mm-Kinofilm eine Technik bzw. ein Medium ist, dessen Untergang naht. Daß mit der Photochemie auch die tradierte Erzählsprache des Kinofilms verschwindet, zeigt sich in den ersten Applikationen digitaler Videotechnik sowohl von "unten", als auch von "oben", d.h. einerseits im No/Low Budget-Film, der zunehmend auf DV gedreht wird (und die Dogma-Filmen als Avantgarde hat), andererseits von Big Budget-Blockbustern wie "Star Wars", dessen letzte Folge komplett digital gedreht (und z.B. im Berliner Zoo-Palast mit einem Hochleistungs-Beamer digital projiziert) wurde. Lars von Triers "Idioten" oder Mike Figgis' "Timecode" erschließen sich einem videokünstlerisch geschulten Blick besser als einem filmhistorischen, und George Lucas' Star Wars-Prequels läßt sich in Bildsprache und Erzählstruktur eher in einer Kontinuität von Computerspielen als vom Spielfilmkino lesen. -F -- http://userpage.fu-berlin.de/~cantsin/homepage/ http://www.complit.fu-berlin.de/institut/lehrpersonal/cramer.html GnuPG/PGP public key ID 3200C7BA, finger cantsin@mail.zedat.fu-berlin.de
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